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Kann man einen Staatsanwalt in den Ausstand schicken?

Die kurze Antwort auf diese Frage lautet: Ja, man kann. Aber fangen wir vielleicht von vorne an. Gemäss der Schweizerischen Bundesverfassung (Art. 30 Abs. 1 BV) und der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art. 6 Ziff. 1 EMRK) hat jede Person Anspruch darauf, dass ihre Sache von einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Richter ohne Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Diese Bestimmungen sind auf einen Staatsanwalt nur dann anwendbar, wenn dieser (ausnahmsweise) in einer richterlichen Funktion tätig wird, was z.B. im Strafbefehlsverfahren der Fall ist.

Ein Staatsanwalt kann aber auch im Untersuchungsverfahren abgelehnt werden, wenn Umstände vorliegen, die objektiv geeignet sind, den Anschein der Befangenheit zu erwecken. Dies ergibt sich aus Art. 29 Abs. 1 BV einerseits und Art. 56 der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) andererseits. Letztere Bestimmung regelt im Detail die Ausstandsgründe im Strafverfahren und richtet sich an sämtliche Personen, die in einer Strafbehörde tätig sind. Das ist bei einem Staatsanwalt klar der Fall.

Fehlerhafte Verfügungen und Verfahrenshandlungen eines Staatsanwalts begründen für sich keinen Anschein der Voreingenommenheit. Anders verhält es sich jedoch, wenn besonders krasse oder wiederholte Irrtümer vorliegen, die eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen.

In einem gerade kürzlich veröffentlichten Entscheid (s. Urteil des Bundesgericht vom 21. März 2018) wurden einem Staatsanwalt seine Äusserungen in einem Beschwerdeverfahren zum Verhängnis. Obwohl er selber die begangenen Verfahrensfehler nicht selber zu verantworten hatte, rechtfertigte er diese und bezeichnete die zutreffenden Ausführungen des Verteidigers des Beschuldigten als „aktenwidrig“ und „schichtweg dreist“. Das Obergericht des Kantons Thurgau kam daher zum Schluss, dass durch diese Ansichten des Staatsanwaltes der Anschein der Voreingenommenheit erweckt wird und schickte diesen in den Ausstand, was das Bundesgericht nun geschützt hat.

Das Bundesgericht hat übrigens bereits in früheren Entscheiden entschieden, dass

Staatsanwälte während des laufenden Untersuchungsverfahrens wegen wiederholter und krasser Verfahrensfehler in den Ausstand geschickt werden können (vgl. BGE 141 IV 178). Aus Sicht des Strafverteidigers ist dies zu begrüssen. Ein Ausstandsbegehren stellt somit ein wirksames Mittel der Verteidigung dar, auf ein faires Verfahren hinzuwirken. Dies ist insbesondere im Untersuchungsverfahren wichtig, da den Staatsanwälten bei ihren Handlungen ein grosses Ermessen zukommt und ihre Tätigkeiten den Verlauf des Verfahrens durchaus stark beeinflussen können.

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