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Von Privatgutachten und der polizeilichen Vernichtung von Beweismitteln

Gastbeitrag von RA Christian Sturzenegger, Partner bei Bürgi Hotz Zellweger Rechtsanwälte, Frauenfeld



Kürzlich verteidigten Rechtsanwalt Fatih Aslantas und ich zwei Bewohner einer Wohngemeinschaft, denen die fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst vorgeworfen wurde. In der WG-Küche war ein Feuer ausgebrochen, welches das ganze Haus niederbrannte. Die Bewohner konnten sich nur mit knapper Not in Sicherheit bringen. Die Staatsanwaltschaft nahm in der Folge Ermittlungen auf und kam schon kurze Zeit nach dem Brand zu folgendem Schluss: Die WG-Bewohner hätten in der Küche Papiertaschen, gefüllt mit PET-Flaschen bzw. mit Altpapier, vor einer Infrarotheizung abgestellt. Die Heizung habe das deponierte Altgut so stark erhitzt, dass sich dieses entzündet und den Brand verursacht hätte.


Wegen fahrlässiger Verursachung einer Feuersbrunst wird nach Art. 222 des Strafgesetzbuches sinngemäss bestraft, wer versehentlich einen Brand verursacht und diesen hätte vermeiden können, wenn er besser Acht gegeben hätte. Eine Verurteilung setzt aber voraus, dass der Staat dem Pechvogel nachweist, dass er den Brand durch sein Verhalten auch tatsächlich ausgelöst hat. Genau dies war im vorliegenden Fall der beiden WG-Bewohner jedoch unklar.


Dass das Feuer im Bereich der Heizung ausgebrochen ist, war zwar unbestritten. Pikant war allerdings, dass die polizeiliche Brandermittlung den Heizkörper nicht untersuchte, obwohl dieser bereits 30 Jahre alt und seine Lebensdauer längst abgelaufen war. Die Begründung der Polizei dafür: Der Heizkörper sei für eine Untersuchung zu stark verbrannt. Es sei aber sowieso unwahrscheinlich, dass der Brand durch eine Fehlfunktion der Heizung verursacht worden ist. Die Theorie mit der Erhitzung des Altpapiers erkläre den Brand eindeutig. Damit sei auch die Brandursache erwiesen – basta! Anstatt den verbrannten Heizkörper zu untersuchen, entsorgte die Polizei das Beweisstück im Alteisen (Artikel in der Thurgauer Zeitung).


Rechtsanwalt Aslantas und ich entschieden deshalb, einen eigenen Brandursachenermittler beizuziehen und ein Privatgutachten in Auftrag zu geben. Privatgutachten haben gemäss der Rechtsprechung zwar nicht dieselbe Beweiskraft, wie das Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen: Es wird eingewendet, dass die Meinung einer von der Verteidigung bezahlten sachverständigen Person eingekauft und deshalb nicht objektiv sei. Trotzdem sind Privatgutachten gerade bei angeblichen Sorgfaltspflichtverletzungen ein gutes Mittel, um den vorgeworfenen Sachverhalt von einer Fachperson kritischen prüfen zu lassen und so zusätzliche Fachkenntnisse in das Strafverfahren hineinzutragen – Fachkenntnisse, welche der beschuldigten Person und der Verteidigung, aber auch dem Gericht oft fehlen. Ist ein Privatgutachten gewissenhaft und fundiert erstellt, kann es beim Gericht zumindest Zweifel an den Darstellungen der Staatsanwaltschaft wecken.


In unserem Falle überzeugte das Privatgutachten das Gericht: Die Richter:innen folgten dem privaten Gutachter, wonach die Brandursache gar nicht geklärt sei und aufgrund des bereits entsorgten Heizstrahlers auch nicht mehr aufgeklärt werden könne. Die WG-Bewohner wurden freigesprochen.


Privatgutachten können lohnende Hilfsmittel für die Verteidigung darstellen, gerade bei Fahrlässigkeitsdelikten oder im Zusammenhang mit technischen Fragen. Das Expertenwissen verleiht den Einwänden der Verteidigung zusätzliche Tiefe. Formuliert letztere den Auftrag an die sachverständige Person zudem sachlich neutral und stellt die erforderlichen Akten vollständig zur Verfügung, verleiht dies deren gutachterlichen Erkenntnisse zusätzliches Gewicht. Allzu oft wird ein Privatgutachten aus Angst vor hohen Kosten vorschnell als Verteidigungsmittel verworfen. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass Expertenwissen oft zu vernünftigen Preisen erhältlich ist.


Einziger Wehrmutstropfen in diesem unserem Fall: Das Gericht entschädigte die Kosten für das Privatgutachten trotz des Freispruches nicht, denn ein solches sei nicht zwingend notwendig gewesen.


RA Christian Sturzenegger

Bürgi Hotz Zellweger Rechtsanwälte

Bahnhofstrasse 49, 8500 Frauenfeld

058 723 00 00

c.sturzenegger@bhz-law.ch

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