DNA – der absolute Beweis?
Die meisten Menschen dürften wohl der Meinung sein, dass DNA-Spuren immer klar einer Person zugeordnet werden können und dass diesen ein absoluter Beweiswert zukommt. Dieser Ansicht dürften auch viele Juristen sein. DNA steht für Deoxyribonucleic Acid, auf Deutsch: Desoxyribonuklein-säure. Bei dieser Nukleinsäure handelt es sich um ein Makromolekül oder auch Riesenmolekül (was aber nicht heisst, dass sie von Auge sichtbar wären).
Gemäss Medienberichten führten solche DNA-Spuren eine Frau vor kurzem ins Untersuchungsgefängnis, weil diese offenbar bei Einbrüchen in St. Gallen gefunden wurden und von ihr gestammt haben sollen. Glücklicherweise konnte die Frau ein Alibi vorweisen, was zumindest den Richter zu überzeugen vermochte (s. 20 Minuten). Ohne Alibi hätte sie wohl kaum Chancen auf einen Freispruch gehabt.
Wie kann das passieren? Zum einen kommt es häufig vor, dass an Tatorten sogenannte Mischprofile gefunden werden. Solche DNA-Spuren enthalten die Profile mehrerer Personen. Zudem sind DNA-Spuren manchmal auch inkomplett, deren Interpretation und Zuordnung zu einer Person schwierig ist.
Wir fassen täglich Türen, Briefkästen, Türgriffe, Handläufe, etc. an. So hinterlassen viele Menschen ihre DNA an gemeinschaftlichen Gebrauchs-gegenständen. Es ist folglich nicht verwunderlich, dass die DNA von vielen Menschen als Mischpuren zu finden sind – auch an Tatorten. Als Strafverteidiger sehe ich oft solche DNA-Gutachten. Darin finden sich dann Hypothesen, dass es zig Millionenmal wahrscheinlicher ist, dass Person A, B, C und D dort waren als Person E, F und G oder eine sonst unbekannte Person. Alles klar? Für mich ist klar, dass wir Juristen die dahinter steckende Mathematik nicht unbedingt verstehen und es sich bei solchen Gutachten um Wahrscheinlichkeitsrechnungen handelt, deren wissenschaftliche Grundlage zu hinterfragen ist.
Was heisst das für einen Strafverteidiger? Solche DNA-Gutachten sind immer kritisch zu analysieren. Es muss versucht werden, die Wahrscheinlichkeitsrechnung zu verstehen. Ist wirklich eine solch hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, dass es für eine Verurteilung genügt? Wenn die Formel nicht verstanden wird, kann z.B. der Gutachter vor Gericht befragt werden. Dies dürfte einiges klären. Man sollte sich auch fragen, wo die Spuren gefunden und wie sie abgenommen und sichergestellt wurden. Allenfalls ist die DNA von den Labormitarbeitern, welche die Analyse vorgenommen haben, mit der gefundenen Spur abzugleichen, um eine Vermischung zu prüfen. Zudem ist nicht ausser Acht zu lassen, dass DNA-Spuren von einer Person zu einer anderen Person übertragen werden und irgendwo hinterlassen werden können, ohne dass erstere Person je am Fundort anwesend war. Dies konnte in einer Studie nachgewiesen werden (vgl. ResearchGate). Auch diese Möglichkeit ist immer in Betracht zu ziehen. Gesunder Menschenverstand und eine kritische Grundhaltung gehören bei der Analyse von DNA-Gutachten also immer dazu.