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Ungenügende Verteidigung

Im Fussball kann der Trainer einen Verteidiger, der seine Leistung nicht erbringt, jederzeit auswechseln. Doch wie sieht es im Strafrecht aus? Kann ein Beschuldigter seinen Strafverteidiger wechseln, wenn er mit diesem nicht mehr zufrieden ist oder dieser ihn nicht genügend verteidigt?

Wenn es sich um eine erbetene Verteidigung, d.h. wenn der Beschuldigte seinen Anwalt selber bezahlt, ist dies natürlich problemlos möglich. Wie sieht es aber bei einer amtlichen Verteidigung aus? In diesen Fällen ist es nicht so einfach. Nach Art. 134 Abs. 2 StPO überträgt die Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung einer anderen Person, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen der beschuldigten Person und ihrer amtlichen Verteidigung erheblich gestört oder eine wirksame Verteidigung aus anderen Gründen nicht mehr gewährleistet. Zum einen bedeutet dies, dass diese Aufgabe im Untersuchungsverfahren der Staatsanwaltschaft obliegt. Diese stimmt einem Wechsel der Verteidigung üblicherweise nicht ohne Not zu. Begründet wird dies häufig mit dem Einarbeitungsaufwand des neuen Verteidigers, was angeblich zu hohen Kosten führen würde. Zum anderen wird eine erhebliche Störung des Vertrauensverhältnisses nicht leichthin angenommen. Schliesslich wird eine unwirksame Verteidigung häufig nicht augenscheinlich sein und wird meist nur in offensichtlichen Fällen von der Verfahrensleitung wahrgenommen. Dass diese etwas dagegen unternimmt, dürfte ebenfalls nicht häufig vorkommen. Am ehesten werden vor allem die Gerichte aktiv, wenn sich ein neuer Verteidiger einschaltet und den Beschuldigten bei seinen Anträgen unterstützt.

Kürzlich habe ich eine amtliche Verteidigung aus dem Kanton Schaffhausen übernommen. Das Obergericht des Kantons Schaffhausen kam in jenem Fall zum Schluss, dass der vorherige Verteidiger seine Arbeit ungenügend wahrgenommen hat. Das Gericht führte Folgendes aus (Verfügung Nr. 50/2019/1 vom 7. Mai 2019): „Aus dem - insofern unwidersprochenen - Schreiben des Beschuldigten vom 7. März 2019 geht vielmehr hervor, dass die Frau des Beschuldigten den amtlichen Verteidiger um dessen Weitervertretung vergeblich ersuchte. Anstatt - bei Vorliegen wichtiger Gründe - beim Gericht um seine Entlassung als amtlicher Verteidiger zu ersuchen, teilte der bisherige amtliche Verteidiger dem Beschuldigten und dessen Frau mehrfach mit, dass er ihn nicht mehr vertreten werde. Aufgrund dieses fragwürdigen Vorgehens ist jedenfalls eine wirksame Verteidigung des Beschuldigten durch den bisherigen amtlichen Verteidiger nicht mehr gewährleistet und Rechtsanwalt [X] als amtlicher Verteidiger zu entlassen.“

Zu erwähnen ist, dass der Verteidiger diese Äusserungen während laufender Rechtsmittelfrist getätigt hat. Darüber, wie viele solche Fälle in der Praxis vorkommen, kann nur spekuliert werden. Glücklich kann sich schätzen, wer Unterstützung durch einen (anderen) Verteidiger findet, der sich (am Anfang in den meisten Fällen wohl kostenlos) für den Wechsel der amtlichen Verteidigung einsetzt.

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